Mit tiefer Trauer nehmen wir Abschied von Prof. Dr. em. Ulrich Wengenroth, der am 7. Januar 2025 im Alter von 75 Jahren verstorben ist. Sein Tod hinterlässt eine schmerzliche Lücke – für die Wissenschaft, für seine Kolleginnen und Kollegen und für die vielen Studierenden und Forschenden, die er über Jahrzehnte hinweg inspiriert hat.
Nach Stationen in Darmstadt, Florenz und Mainz wurde er 1989 an die Technische Universität München (TUM) berufen, wo er das Zentralinstitut für Geschichte der Technik etablierte, um eine sozial- und kulturwissenschaftliche Technikforschung an der TUM zu verankern, die für viele spätere Entwicklungen wegweisend war. Künftigen Ingenieuren im Studium eine reflexive Sicht auf technisches Wissen und Handeln zu eröffnen, war ihm ein zentrales Anliegen. In vielen Studiengängen an allen Standorten der TUM bot er mit seiner Arbeitsgruppe stark nachgefragte Veranstaltungen an und entwickelte mit großer Leidenschaft E-Learning-Formate – lange bevor die Universitäten moodle als Plattform entdeckten. Seine Vorlesungen und Diskussionen waren stets geprägt von intellektueller Schärfe, warmherzigem Humor und einer Wertschätzung für andere Perspektiven.
Ulrich Wengenroth gehörte zu den Gründungsvätern des 1997 inaugurierten Münchner Zentrums für Wissenschafts- und Technikgeschichte (MZWTG). Dort entwickelte er gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen am Deutschen Museum, der LMU und der TUM neue Forschungsansätze für tiefgehende Analysen der epistemischen, kulturellen und sozialen Dimensionen technischer Entwicklungen. Ulrich Wengenroth war ein inspirierender Ideengeber und zugleich effizienter Manager in Forschungsverbünden. In Großprojekten zur Erforschung der Wechselbeziehungen von Naturwissenschaft und Technik, zur Untersuchung von Innovationskulturen oder im SFB der LMU zur reflexiven Modernisierung hat Ulrich Wengenroth innovative Forschungsthemen verfolgt und die nächste Generation der Technikhistoriker und Technikhistorikerinnen maßgeblich geprägt. Er war ein brillanter Wissenschaftler undein außergewöhnlicher Lehrer und Mentor, der die Fähigkeit hatte, seine Leidenschaft für die Technikgeschichte auf andere zu übertragen und sie dazu zu ermutigen, kritisch und kreativ zu denken. Frühzeitig hat Ulrich Wengenroth mit Kollegen aus der ehemaligen DDR zusammengearbeitet und sich aktiv dafür eingesetzt, dass in Dresden die Geschichte der Technischen Wissenschaften mit den dort ausgebildeten Wissenschaftlern fortgeführt werden konnte.
Sein Einfluss reichte weit über den nationalen Rahmen hinaus. Ulrich Wengenroth war in der größten internationalen Fachgesellschaft der Technikhistoriker*Innen SHOT (Society for the History of Technology) und auch im europäischen Forschungsnetzwerk Tensions of Europe weithin bekannt und aktiv. Er schuf international sichtbare Räume, in denen wissenschaftlicher Austausch gedeihen konnte und ermutigte alle, die mit ihm zusammengearbeitet haben, neue Wege zu beschreiten. Hohe Wertschätzung erfuhr er als Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Royal Norwegian Society of Sciences and Letters – Humanistic Class und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech).
Die Technische Universität München, die School of Social Sciences and Technology, das Department of Science, Technology and Society und die wissenschaftliche Gemeinschaft verlieren mit ihm eine prägende Persönlichkeit. Sein Vorbild, sein Humor und seine Offenheit werden uns fehlen.
Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie, seinen Freundinnen und Freunden sowie allen, die ihn kannten und schätzten. In Dankbarkeit für alles, was er uns hinterlassen hat, werden wir ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.